Donnerstag, 17. September 2009

Wo bleibt die Kohle?

Von seiner Arbeit als Umweltminister mag man halten was man will. Aber eins muss man Sigmar Gabriel lassen: In einem trögen Wahlkampf war er der einzige echte Wahlkämpfer der SPD. Er machte dauernd Schlagzeilen und zeigte zumindest Kampfeswillen. Kein Wunder, dass sich die CDU nun auf ihn einschiesst. Gabriel ist es immerhin - gemeinsam mit der Anti-Atombewegung und den Bündnisgrünen - gelungen, die Atomkraft zu einem zentralen Wahlkampfthema zu machen. Ein Indiz: Steinmeier wiederholte sein Nein zur Atomenergie gleich ein zweites Mal - als er beim Fernsehdebatten-Abschlussstatement endgültig drohte den Faden zu verlieren ... .

National spricht aber bisher kaum einer der Wahlkämpfer von dem klimapolitisch genauso brisanten Neubau neuer Kohlekraftwerke und der fatalen Klimahypothek die dieser für die nächsten 40-50 Jahre bedeutet. Verwunderlich ist das nicht: Bei der Atomkraft gibt es - mit der "2013 Konstellation" von ´Schwarz-Gelb´ und ´Rot-Tot-Grün´klar zwei Lager. Beim Kohlethema dagegen sind alle Parteien (mit der möglichen Ausnahme der Grünen) gespalten. Insbesondere CDU und SPD sind in der Kohlepolitik tief zerrissen. Eine 42-41 Abstimmung zum Kohlekraftwerk in Lubmin beim Parteitag der SPD Mecklenburg-Vorpommern ist für diese internen Konflikte ein hübsches Symbol. In Mainz ist die CDU gegen das Kohlekraftwerk. Auf der anderen Rheinseite, in Hessen, betreibt insbesondere Kochs CDU das Festhalten an Kohledinosauriern wie dem neuen Kraftwerk in Staudinger (der CDU Ortsverband Hainburg, wie auch die dortige FDP, ist wiederum dagegen.) Die SPD ist genauso gespalten - nur geographisch umgekehrt. In Wiesbaden ist sie gegen die Kohle. In Mainz ist (war?) sie genauso entschieden dafür.

Sicher ist aber auch: Relativ unbeachtet von den nationalen Medien ist das Kohlethema für viele Menschen wichtig, vielleicht sogar wahlentscheidend. Mainz ist ein gutes Beispiel. Bei den Kommunalwahlen im Juni hat die SPD ihr historisch schlechtesten Ergebnis von 2004 noch um weitere 5% unterboten, da sie stur an dem geplanten Kraftwerk auf der Ingelheimer Aue festhielt. Wahlgewinner waren klar alle Parteien, die sich von Anfang an gegen das Kraftwerk eingesetzt haben: Grüne + 7,6% (auf 21,9% - und somit nur 1,9% hinter der SPD!); Linke + 3,6%; ÖDP +1,6%. Ein ähnliches Bild in der Region des geplanten Kraftwerks in Lubmin: Auf Rügen (Wahlkreis von Angela Merkel) verlor die CDU bei den Kommunalwahlen im Juni 7,4%. Der Kreisvorsitzende der CDU räumt ein, dass das Wahlergebnis die Quittung auch für das „Ja“ zum Steinkohlekraftwerk ist. Auch in Greifswald verlor die CDU 6%. Wahlgewinner auch im Norden die Parteien, die sich im Vorfeld der Wahl klar gegen ein Kohlekraftwerk in Lubmin ausgesprochen hatten: DIE LINKE und Die Grünen. Bei den Kreistagswahlen auf Rügen, in Greifswald und Ostvorpommern konnten beide Parteien dazu gewinnen. Mit einem Stimmenzuwachs von 4,4% in Greifswald konnten dabei die Grünen ihr Wahlergebnis fast verdoppeln. Gabriel - ganz der stringente Wahlkämpfer - reagierte. Im Bundestagswahlkampf lehnt nun auch Gabriel zumindest das Kohlekraftwerk in Lubmin ab ...

Auch der Linken ist es zu verdanken, dass ein neues Kohlekraftwerk in Berlin verhindert werden konnte. Gleichzeitig halten aber die Genossen z.B. an der Saar entschieden an der Kohle (inklusive Kohleförderung) fest. Konsequenter Klimaschutz geht anders, auch wenn bundespolitisch klar gegen die Kohle Position bezogen wird.

Immerhin, vor der Wahl melden sich nicht nur Wissenschaftler und Politiker die von neuen Atomkraftwerken träumen zu Wort ... sondern über 50 Wirtschaftswissenschaftler räumen in einer gemeinsamen Erklärung mit der Mär auf, dass wir die Kohle bräuchten um niedrige Energiepreise zu garantieren. Das Gegenteil ist der Fall: Neue Kohlekraftwerke drohen zu Investitionsruinen zu werden - sollte der Ausbau der erneuerbaren Energien weitergehen (wofür ja - offiziell zumindest - alle Parteien sind...).

Am 27. September sollten nicht nur die Zehntausende, die in den letzten Monaten gegen neue Kohlekraftwerke protestiert haben, an die Zukunft der Kohlepolitik in diesem Lande denken. Die Klimaziele, die langfristig notwendig sind, sind mit neuen (konventionellen) Kohlekraftwerken nicht zu erreichen. Das weiss Gabriel - denn das sagen auch alle aktuellen Studien, die im Auftrag seines Ministeriums erstellt wurden. Vielleicht gibt das Gabriel nach dem 27. September dann auch zu? P.S. Dies ist Beitrag zwei zum Böll Wahlblog.

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